So, der Blog-Probemonat ist rum – und ich verlängere. Macht auch Sinn, denn nach einem kurzweiligen Februar, in dem noch Interviews mit Inka Bause, Jürgen Drews, Ben Becker sowie die Album-Präsentation von Schiller anstanden, startete der März farbenfroh und inspirierend mit einem Pressegespräch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Die frische Moderation von Generaldirektorin Marion Ackermann sowie das flotte Begrüßen durch Albertinum-Chefin Hilke Wagner waren alles andere als barock und die grelle Sockel-Gestaltung in der Eingangshalle durch die kanadische Künstlerin Judy Radul ein absoluter Eyecatcher.
„Demonstrationsräume“ könnte man in Dresden ja auch falsch verstehen, aber so ist es doch perfekt. Zumal die Arbeiten des modernen Interventionsprojektes an die Ideen El Lissitzkys anknüpfen, dessen abstrakte Kunst parallel in den „Zukunftsräumen“ ein Stockwerk höher zu sehen ist. Neben Lissitzkys nachgebautem Ausstellungsraum von 1926 und seinen Werken werden hier auch bekannte Arbeiten von Kandinsky und Mondrian gezeigt:
Und ich muss festhalten: Die Ausstellung zur abstrakt-konstruktiven Avantgarde in Dresden von 1919 bis 1932 besticht nicht nur durch Farben und Formen, sondern auch durch allerhand Wissenswertes. Dass meine Heimatstadt Barockkunst UND Bauhaus vereint, wusste ich zum Beispiel nicht. Man lernt eben nie aus und auf Pressekonferenzen manchmal sogar dazu…
Am Abend ging es dann zur „Kollektiv“-Präsentation der Modedesign-Studenten der Fachhochschule Dresden. Nadja Herklotz, Laura Schmidt und Miriam Goerdt waren während ihres Studiums augenscheinlich vor allem eines gewesen: produktiv und kreativ. Vor 400 Gästen ließen sie im Kraftwerk Mitte ihre Models über mehrere Etagen laufen und zeigten selbst Fashion Week-verwöhnten Berlinerinnen wie mir etwas Neues mit dem, was Mode auch kann. Zum Beispiel Menschenhaare verwerten. Einmal genauer hinschauen bitte:

Model Nastasia trägt auf dem Kopf Haare, klar, aber auch einen Mantel gefüttert mit dem wertvollem Gut. Und jetzt mal raten, von wem wohl…

Nadja und ihr Freund Lukas aus Berlin legten die Schlussfolgerung nahe. Die junge Designerin gab auch gern zu, dass ihre Haare im Mantel zu finden sind. Aber eben nicht nur: Sie habe zusätzlich beim Friseur und unter den Studenten gesammelt. Ihr Argument für nachhaltige Mode ist einleuchtend: Haar eignet sich wunderbar zur Wärmedämmung. Tut Lack aber auch. Deshalb gefiel mir die futuristische Sport-Kollektion „Mutare“ von Gisa Bigl dann ein klein wenig besser:

Wahrscheinlich einer meiner Neon-Flashs, die ich gern mal habe, aber warum auch nicht bei all dem Grau draußen. Dem setzten die Designer allerlei entgegen, zum Beispiel ein adrettes Männermodel im Slip mit Fliege und High Heels. Eingekleidet vom einzigen Mann unter den Studenten, aber das nur nebenbei. Insgesamt war es eine beeindruckende und gelungene Schau ambitionierter Designer, die mit ihrem Kollektiv-Gedanken das folgende Event einen Tag später wunderbar einleiteten:

Martin Grubinger performte am 2. März mit den Berliner Philharmonikern und zeigte vor ausverkauftem Publikum im Großen Saal, dass er einer der besten Perkussionisten weltweit ist. Da ich selbst Schlagzeug spiele, war ich natürlich doppelt gespannt auf den 35-jährigen Drummer aus Österreich. Laut einem Tagesspiegel-Interview besitzt er daheim mehr als 700 (!) Schlaginstrumente und einen eigenen Fußballplatz, verbrennt bei Konzerten 2000 Kalorien und hat einen höheren körperlichen Verschleiß als ein Profifußballer! Das wundert mich allerdings nicht. In der Konzert-Einführung erfuhr ich, dass es Grubinger auf 1000 Schläge pro Minute bringt – ein absoluter Wahnsinn. Das Konzert war dann fast noch mehr. Unter der Leitung von Dirigent Zubin Mehta trommelte sich der Drummer regelrecht in Ekstase, was Teil des amerikanischen „Marching Drummings“ ist. Die Stücke hatte etwas Zirzensisches (das musste ich allerdings nachlesen, denn für die Verrenkungen und Ausrufe des Künstlers hatte ich keinen Begriff parat). Vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren: Trommeln und Schreien. Es wirkte befreiend und animalisch und so ganz anders als man es bei einem klassischen Konzert erwartet.
Grubinger ging voll aus sich heraus und hatte dabei die Unterstützung von einem grandiosen Orchester, das vor der Pause selbst mit einem kollektiven Schrei überraschte. Ich kann schwer beschreiben, wie sich das alles anfühlte, es war auf alle Fälle ein Erlebnis für alle Sinne. Grubinger verließ unter Ovationen den Saal, der zweite Teil des Konzerts gehörte nun ganz den Berliner Philharmonikern. Und die glänzten weiter mit Nikolaj Rimsky-Korsakows Symphonischer Suite Schehezerade, in der verschiedene Episoden und Bilder aus Tausendundeiner Nacht in Musik gefasst wurden. Ja, ich bin beseelt aus dem Saal und kann nur schreiben, dass ich glücklich und dankbar bin, selbst ein Instrument zu spielen. Mit Geige, Flöte und Klavier kam ich trotz der Hoffnungen meiner Eltern ja nicht weit, mit dem Schlagzeug bin ich zumindest höchst motiviert.
Aber ehe ich mich heute meinem Hobby widme, möchte ich noch einen Schwenk zu meiner Heimatstadt finden, in der Grubinger Ende März mit den Dresdner Philharmonikern auftritt, und ganz unbescheiden auf den Tagesspiegel von heute verweisen, in dem sich mein Interview mit Schauspieler Axel Milberg finden lässt:
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/tatort-schauspieler-axel-milberg-ich-bin-gerne-treu-aber-nicht-als-konsument/24058598.html
Ich hatte ihn auf der Berlinale getroffen, wo er mir mit seinem ganz eigenen spitzbübigen Lächeln von seinen „wilden Daumen“ erzählte, mit denen er nachts im Bett neben seiner Frau den Roman „Düsternbrook“ tippte, der im Mai erscheint. Milberg ist für mich ein grandioser Schauspieler, der eine leise, humorvolle Art hat, die in Kommissar Borowski, seiner Kieler Tatort-Figur, wiederzufinden ist. Oder andersherum. Vielleicht täusche ich mich auch, schließlich kenne ich den Schauspieler nur beruflich, nichtsdestotrotz ist es immer eine Freude, mit ihm zu sprechen. Und der Tatort heute Abend – „Borowski und das Glück der anderen“ – ist auf jeden Fall empfehlenswert.
Ich empfehle mich an dieser Stelle und freue mich auf die kommende Woche mit einem neuen Berliner Feiertag: dem 8. März. Klar, dass ich den freigeschaufelten Frauentag zelebrieren werde. Wie, wird sich/ werde ich zeigen…